12. Januar 2024
Seit November 2023 wird Angehörigen von verstorbenen Kindern auf dem Thalwiler Friedhof ein neuer Ort zum Abschied nehmen, gedenken und trauern geboten. Im neu geschaffenen Bereich des Friedhofs besteht nun auch die Möglichkeit, Sternenkinder beizusetzen.
Im Mai 2022 genehmigten die Stimmberechtigten von Thalwil an der Urne das Friedhofentwicklungskonzept der Gemeinde. Dieses sieht neben Sanierungsarbeiten auch die Schaffung von neuen Grabarten und Bestattungsmöglichkeiten vor. Die entsprechenden Bauarbeiten starteten im Januar 2023.
Im Rahmen des Friedhofentwicklungskonzepts war es der Gemeinde ein Anliegen, auf dem Friedhof in Thalwil einen eigenen Bereich für verstorbene Kinder sowie Fehl- und Totgeburten zu erschaffen. Bislang wurden verstorbene Kinder in der Nähe der Abdankungskapelle beim Friedhofseingang oder in Familiengräbern beigesetzt. Für Fehl- und Totgeburten, sogenannte Sternenkinder, bot der Friedhof jedoch keine spezifischen Bestattungsmöglichkeiten an. Der neue Bereich sollte entsprechend zum einen die Intimität von trauernden Eltern und Angehörigen besser gewährleisten können, zum anderen die würdevolle Bestattung von Kindern und Sternenkindern ermöglichen. «Stirbt ein Kind, stellt dies die Reihenfolge von Mutter Natur und das Leben der Betroffenen auf den Kopf», stellt Marcel Frei, Leiter Bestattungsamt und Friedhof der Gemeinde Thalwil, fest. «Um sich mit dieser Trauer auseinanderzusetzen, gibt es keinen geeigneten Ort. Dennoch wollten wir auf dem Thalwiler Friedhof eine Umgebung schaffen, an welchem die Angehörigen Trost und einen Moment der Ruhe finden.»
Nach erfolgter Evaluation möglicher Standorte für eine solche Umgebung, entschied sich die Gemeinde für ein bestehendes, bislang nicht genutztes Grabfeld im nordwestlichen Teil des Friedhofs. Für die Sanierung und Aufwertung des Grabfelds hat die Gemeinde einen Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. Das Ziel: Eine dem ausgewählten Standort angepasste, würdige und pietätsvolle Gedenkstätte, die sich gut ins gesamte Friedhofbild einbindet.
Natur und Bewegung als wichtige Elemente
Ein entsprechendes Projekt hat die Gemeinde mit dem gemeinsam eingereichten Konzept von Steinbildhauer Beat Eschmann aus Thalwil und der Leuthold Gärten AG aus Oberrieden gefunden. Dieses setzt sich aus einer niederen, kokonähnlichen Skulptur aus Schweizer Kalkstein und einem passenden Umgebungsgestaltungskonzept, ausgearbeitet von der Landschaftsarchitektin Alicja Singh, zusammen.
Letzteres hat für das Gemeinschaftsgrab eine Art Insel vorgesehen, auf welcher die Skulptur mittig zu liegen kommt. Die Insel wird mit einem geschwungenen Gehweg aus chaussierter Fläche umfasst. Zusätzliche einheimische Bäume und Sträucher sowie eine Pergola sollen den Trauernden ein Rückzugsort sein. Die Reihengräber sind im Siegerprojekt entlang des Gehwegs zwischen den Bäumen eingebettet.
«Die Skulptur wirkt zeitlos und religionsneutral», erläutert Frei, welcher Teil des fünfköpfigen Entscheidungsgremiums war. Das dazugehörige Gestaltungskonzept bette die Skulptur so ein, dass diese nicht im Vordergrund stehe, sondern sich harmonisch in die Szenerie des Grabfelds einfüge, fügt er weiter an. Dies war auch der Gedanke von Alicja Singh. «Wichtig war mir bei der Ausarbeitung, dass der Raum Intimität bietet, zeitgleich aber weiterhin der Blick in die Weite möglich ist», erklärt Singh. Durch die mittige Platzierung der Skulptur und den darum angelegten Weg entstehe nicht der Eindruck einer Sackgasse, sondern eines Rundwegs. Ausserdem enthalte das Konzept die Pflanzung von mehreren Kornelkirschen. «Natur und Bewegung können bei der Verarbeitung von Trauer helfen. Diese Elemente sollte das Grabfeld entsprechend enthalten», so Singh.
Ökumenische Einweihung
Nach der Vergabe des Zuschlags im April 2023 starteten im Frühherbst die Arbeiten zur Umsetzung des Projekts. Während Beat Eschmann und sein Mitarbeiter Robert Kacic im Steinbildhaueratelier in Thalwil an der rund 1.5 Tonnen schweren und fast 180 Zentimeter langen Skulptur arbeiteten, wurden in Oberrieden letzte kleine Anpassungen am geplanten Projekt vorgenommen. Bereits Ende Oktober 2023 wurde die fertiggestellte Skulptur aus Liesberger Kalkstein auf den Friedhof versetzt und leuchtet dort je nach Licht in verschiedenen Pastelltönen. Die Arbeiten der Umgebungsgestaltung vor Ort starteten kurz danach. Per Ende November 2023 war bereits das Resultat der Rodungsarbeiten und Baumpflanzungen ersichtlich. Auch die geplante Pergola wurde bereits umgesetzt. Die abschliessende Ergänzung der Flusssteine um die Skulpturinsel, die Staudenpflanzung und Blumenwiesenansaat erfolgen witterungsbedingt im Frühjahr 2024.
Obwohl noch einige Aufwertungsarbeiten auf dem Kinder- und Sternenkinder-Grabfeld im Frühjahr 2024 anstehen, konnte dieses Ende November 2023 offiziell seiner Bestimmung übergeben werden. Dazu segneten Felix Zgraggen, Diakon der römisch-katholischen Kirche, und Arend Hoyer, Pfarrer der reformierten Kirche, gemeinsam das sanierte Grabfeld.
Findlinge für die Beschriftung auf dem GemeinschaftsgrabTrauerarbeit ist für die Betroffenen immens wichtig. Dazu gehört eine würdevolle Bestattung. Für das Gemeinschaftsgrab auf der Skulpturinsel haben sich die Projektbeteiligten eine besondere Beschriftung ausgedacht. Diese kann auf einem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten kleinen Findling angebracht werden. Den Stein können die Angehörigen selbst vor Ort aussuchen oder einen eigenen, abgerundeten Stein in derselben Grösse verwenden. |
Zwischenstand der Arbeiten auf dem Thalwiler FriedhofDie in der ersten Bauetappe des Friedhofentwicklungskonzepts vorgesehenen Sanierungsarbeiten an Erdbestattungs- und Urnengräbern sowie die Erstellung des neuen Kinder- und Sternenkinder-Grabfeldes verlaufen gemäss Plan und konnten bereits zu einem Grossteil abgeschlossen werden (siehe auch Reportage zu Exhumationsarbeiten). Als abschliessende Arbeiten folgen im Frühjahr 2024 die Gärtner- und Belagsarbeiten, welche witterungsbedingt nicht bereits im Winter erfolgen können. Am 29. November 2023 wurden die sanierten Erdbestattungsgrabfelder und die Gebeinegrabstätte im südwestlichen Teil des Friedhofs von der Ökumene und im Beisein der Projektbeteiligten gesegnet. Auch das neue Kinder- und Sternenkinder-Grabfeld sowie die sanierten Urnengräber im unteren Friedhofteil erhielten von den beiden Vertretern der römisch-katholischen und reformierten Kirche die Segnung. Neben den Sanierungsarbeiten sieht das Friedhofentwicklungskonzept die Schaffung neuer Grabarten und Bestattungsmöglichkeiten, wie Themengräber, vor. Diese Arbeiten werden in einer weiteren Bauetappe, voraussichtlich 2025 angegangen. Sämtliche Informationen zum Bauprojekt finden sich auf der Gemeindewebsite unter thalwil.ch/friedhofentwicklung. |